Mies & Wesely - safe the date

Über die Arbeit / about the work

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Past and Present

Der Künstler zeigt in seiner Intervention des Mies van der Rohe Pavillons in Barcelona drei raumhohe Fotografien, die jeweils einen bestimmten zeitlichen Maßstab in Form von Belichtungszeit aufgreifen und in einen Dialog mit dem Pavillon stellen.

Ein Jahr Belichtungszeit benutzte der Künstler für die Aufnahme des Pavillons selbst. Dazu montierte er im September 2017 eine Großformatkamera im Pavillon und ließ ein Jahr lang den Verschluss seiner Kamera offen. Das resultierende Bild vergrößerte er seitenverkehrt, hinter Glas kaschiert und montierte es so, dass die Spiegelung und das Bild vom Betrachter zur Deckung gebracht werden können.

Damit schaffen die Reflexion und das ein Jahr belichtete Bild einen Verhandlungsraum aus Gegenwart und Dauer. In dieser Arbeit wird auch der Titel der Ausstellung verhandelt.

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Dieser gängige raumbezogene Ausdruck in der Architektur wird von Wesely aber in die Zeit transformiert. Und damit die Frage der Skalierbarkeit von Zeitlichkeit zum Thema gemacht.

Raummodelle zu skalieren ist vergleichsweise einfach, Zeiträume zu skalieren ist das Thema unserer Gesellschaft und Gegenwart, aller geopolitischen und regionalen Kräften, die in unserem Leben versuchen zu bewahren und zu verändern.

100 Jahre Bauhaus werden 2019 gefeiert und befragt, im Verständnis erweitert und vertieft. An der Stelle befragt Weselys Arbeit die nächsten 100 Jahre. Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Blick aus dem Pavillon in der Zukunft dieses Aussehen haben wird?

Eines der Kernthemen Weselys Arbeit ist die Zeit in der Fotografie. Seine Bilder sind von den gleichen Kräften wie unser täglich Leben geprägt, von der Kristallisation und der Auflösung. In seiner Arbeit kämpfen stets diese Kräfte und lassen den Betrachter seine Interpretationsmöglichkeiten offen, wieweit Realitätsfragmente teilweise eine Geschichte andeuten oder unsichtbar erscheinen lassen.

Die zweite Arbeit entstand am Seerosenteich von Claude Monet in Giverny. Sie zeigt eine Langzeitbelichtung über sechs Monate und bedient sich so dem Wachstumszeitraum der Natur in Mitteleuropa. Das organische Chaos der Natur lässt im Bild nur wenige Blätter in Erscheinung treten, die auf die nur in ihrer Abwesenheit anwesenden Seerosen verweisen. Zur Weltausstellung 1929 hatte der Pavillon eine Seerosenbepflanzung und die Fotografie von Michael Wesely bezieht auch auf diesen Zusammenhang mit in seine Arbeit.

Die dritte Arbeit zeigt einen von einer Menschenmenge besetzte Bahnhofshalle in Neu Delhi, der fast nur über den Titel zu identifizieren ist. Die 5-minütige Aufnahme verdeckt im Pavillon den Blick auf die Georg Kolbe Figur „Der Morgen“ und nimmt sich statt derer den menschlichen Maßstab an. Aber selbst 5 Minuten sind für Menschen in Fotografien ein Zeitraum, in dem nur wenige identifizierbar abgebildet werden. Die Nutzarchitektur der Bahnhofshalle kontrastiert die Zeitlosigkeit des Pavillons, spannt den Bogen zu unserer Flüchtigkeit und verdeutlicht das Menschsein als eine stets rastlose und reisende Gemeinschaft.

ENGLISH

In his intervention at the Mies van der Rohe Pavilion in Barcelona, the artist shows three room-high photographs, each of it takes up a specific temporal scale in the form of exposure time and enters into a dialogue with the pavilion.

The artist used one year of exposure time to take the picture of the pavilion itself. In September 2017, he mounted a large-format camera in the pavilion and left the shutter of his camera open for one year. He magnified the resulting image reveresed, concealed behind glass and mounted it in such a way that the reflection and the image can be brought into congruence by the viewer.

In this way, the reflection and the image exposed for one year create a negotiation space of present and future. This work also deals with the title of the exhibition.

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But Wesely transforms this common spatial expression in architecture into time. And thus the question of the scalability of temporality has become an issue.

Scaling spatial models is comparatively easy, scaling time periods is the theme of our society and the present, of all geopolitical and regional forces that try to preserve and change our lives.

100 years of Bauhaus will be celebrated and questioned in 2019, expanded and deepened in understanding. At this point, Wesely’s work will question the next 100 years. How likely is it that this view from the pavilion will have this appearance in the future?

One of Wesely’s core themes is time in photography. His images are shaped by the same forces as our daily lives, crystallization and dissolution. In his work, these forces always fight and leave the viewer open to interpretation, to what extent fragments of reality sometimes hint at a story or make it seem invisible.

The second work was created at Claude Monet’s water lily pond in Giverny. It shows a long-term exposure of six months and thus makes use of the growth period of nature in Central Europe. The organic chaos of nature allows only a few leaves to appear in the picture that refer to the water lilies present only in their absence. For the 1929 World Fair, the pavilion had water lillies planted and Michael Wesely’s photography also refers to this connection with this work.

The third work shows a railway station in New Delhi occupied by a crowd, which can almost only be identified by its title. In the pavilion, the 5-minute shot conceals the view of the Georg Kolbe figure „Tomorrow“ and takes on the human scale instead. But even 5 minutes are a period of time for people in photographs in which only a few can be identified. The usable architecture of the station concourse contrasts the timelessness of the pavilion, draws a bow to our transience and illustrates humanity as an always restless and travelling community.